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Professionelle Wahrnehmung von Argumentationsanlässen im naturwissenschaftlichen Unterricht

Naturwissenschaftliches Argumentieren ermöglicht Schülerinnen und Schülern (SuS) nicht nur das Lernen von naturwissenschaftlichen Inhalten und Konzepten (Osborne, 2010; Kuhn, 2010), sondern ebenso mit diesen die Entwicklung naturwissenschaftlicher Denk- & Arbeitsweisen sowie kommunikativer Kompetenzen (Jiménez-Aleixandre & Erduran, 2007). Damit adressiert und verknüpft das Argumentieren mehrere Ziele des naturwissenschaftlichen Unterrichts (KMK, 2004). Aufgrund dieser vielversprechenden Möglichkeiten für SuS wurde das Argumentieren nicht nur in der Forschung umfassend betrachtet, auch entstanden daraus eine Reihe von Angeboten für Lehrkräfte, z. B. Fortbildungsreihen (Zaccarelli et al., 2018; Fishman et al., 2017; Osborne et al., 2013), Instruktionsvorlagen (Shakespeare, 2003; Osborne, 2004) und Unterrichtsmaterialien (Osborne et al., 2017; Sampson et al., 2017; Sampson et al., 2016; Grooms et al., 2017; González-Howard et al., 2018). Gleichermaßen ist anzunehmen, dass Lehrkräften die Bedeutsamkeit des Argumentierens für den naturwissenschaftlichen Unterricht bewusst ist (Katsh-Singer et al., 2016).

 

Trotz dieser Umstände scheinen Lehrkräfte jedoch weiterhin Schwierigkeiten mit der Analyse und Implementation des Argumentierens im Unterricht aufzuweisen (Choi et al., 2019; Osborne et al., 2013; McNeill & Knight, 2013; Sampson & Blanchard, 2012). Der bisherige Aufwand, umfangreiche und z.T. curricular-ähnliche Konzepte zur Vermittlung von Argumentationskompetenzen im Unterricht zu implementieren (top-down-Ansatz), wird von Lehrkräften offensichtlich gemieden.

 

Wir vermuten, dass bereits der bestehende naturwissenschaftliche Unterricht Argumentationsanlässe enthält, und Lehrkräfte aus diesen konkreten Unterrichtssituationen heraus eher für Argumentationen sensibilisiert werden können (bottom-up-Ansatz). Um diese Argumentationsanlässe – wo didaktisch geboten – ädaquat adressieren zu können, müssen Lehrkräfte in der Lage sein, Unterrichtssituationen als Argumentationsanlässe wahrzunehmen (noticing). Diese professionelle Wahrnehmung solcher Anlässe stellt u.E. einen sinnvollen Zugang dar, das Argumentieren besser in den eigenen naturwissenschaftlichen Unterricht zu integrieren.
 

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