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»Erst wenn die letzte Emission gehandelt...« Warum Nachhaltigkeit und Kapitalismus aus einer feministischen Perspektive unvereinbar sind

Freitag, 18.06.
11.15 - 13.15
Sektion: Sozial
Block: Theorie und Diskurs

Ja'n Sammler, Christine Decker

Humboldt-Universität zu Berlin

Abstract

Ausgehend von einem Nachhaltigkeitsbegriff, der nicht nur natürliche, sondern auch menschliche Ressourcen als nicht-naturgegeben betrachtet, sondern einbezieht, dass beide re/produziert werden müssen, entfalten wir eine Kapitalismuskritik auf zwei Ebenen. Zunächst kritisieren wir unter Rückbezug auf die Interventionen feministischer und ökologischer Ökonom_innen die Grundannahmen der neoklassischen Ökonomie, dem derzeit vorherrschenden Paradigma in den Wirtschaftswissenschaften, das wiederum das kapitalistische System in Deutschland theoretisch legitimiert. Ein Hauptkritikpunkt feministischer und ökologischer Interventionen war und ist, dass das derzeitige „Schweinesystem“ (kapitalistische System) nicht nachhaltig ist, da es weder die Re/Produktion natürlicher noch die menschlicher Ressourcen mit einbezieht. Aus den feministisch-ökologischen Gegenentwürfen wollen wir ein Modell vorstellen, dem es gelingt, unseren Nachhaltigkeitsbegriff theoretisch zu fassen. Dabei begreifen wir Wissenschaft als einen Ort kritisch-interventionistischer und auch durchaus normativer Wissensproduktion, die nicht nur gegebene Realitäten reaktiv zu erklären versucht, sondern die Macht und Aufgabe hat mit zu gestalten, mit welchem Blick auf zu Erklärendes geschaut wird. Nachhaltigkeit in (wirtschafts)wissenschaftlicher Theorie zu verankern ist somit eine wichtige Aufgabe, die mit dazu beitragen kann, unsere (Um)Welt nachhaltiger zu gestalten. Genauso wichtig wie die Strukturebene ist unserer Ansicht nach jedoch die Handlungsebene, denn auch über Alltagspraxen kann Nachhaltigkeit implementiert werden, weswegen wir auf der Mikro- bzw. Mesoebene den zweiten Teil unserer Kapitalismuskritik verankern. Wir stellen Projekte aus der Region Berlin-Brandenburg vor (biologische Landwirtschafts- Subsistenzwirtschaftsprojekte, Projekte, die alternative Wirtschafts- und Lebensformen umsetzen), um zu sehen, wie sie bestimmte Aspekte von Nachhaltigkeit praktisch werden lassen. Dazu gehört für uns beispielsweise ein weit gefasster Arbeitsbegriff, ein zyklisches Zeitverständnis und ein Mensch-Naturverständnis, das den Menschen als Teil seiner natürlichen Mitwelt begreift. Diese Projekte stellen für uns die „Trüffel“ dar. Mit unserer Arbeit wollen wir den Blick schärfen für das, was derzeit schon an widerständigen Alternativen zum scheinbar alternativlosen Kapitalismus vorhanden ist – auf theoretischer wie auf praktischer Ebene.